Fashion Show

“Fashion Weeks sind das Lagerfeuer der Mode.”

Fashion Weeks haben eine lange Tradition – aber wie sieht ihre Zukunft aus? Im Interview redet Prof. Sabine Resch, Studiendekanin für Fashion Journalism & Communication (B.A.), über die Bedeutung von Fashion Weeks und die Zukunft der Mode.

Hat sich die Relevanz von Fashion Weeks im Laufe der Jahre geändert?

Sabine Resch: Fashion Weeks sind DIE Großereignisse der Branche und sogar darüber hinaus. Das hat in den letzten Jahren sogar noch zugenommen. Sehen Sie, Mode ist gerade in Mode. Denn Mode ist ein Krisenthema. In Zeiten von Umbrüchen und Unsicherheiten wächst die Mode über sich hinaus. Da entfaltet sich die Kraft besonders, denn Mode drückt sehr schnell aus, wie die Stimmung in der Welt ist, und sendet entsprechende Botschaften. Gerade seit nach der Pandemie wieder Live-Modenschauen möglich wurden werden sie sogar immer relevanter.

Welche Bedeutung haben Fashion Weeks überhaupt noch? Für Einkäufer, Labels, Designer:innen?

Sabine Resch: Nicht nur Fashionbrands (= Aussteller), Einkäufer:innen, Kund:innen,  Modedesigner:innen, Stylist:innen, Fotograf:innen, Models, Art Director:innen, Journalist:innen und natürlich alle, die Mode lieben, auch sie schauen hin, träumen  oder lästern von und über Mode, aber sie zieht uns magisch an. Auch die, die behaupten, Mode sei ihnen egal. Besonders die – das beobachte ich immer wieder – schauen hin und rollen mit den Augen, wenn ihnen die Entwürfe nicht gefallen oder sie sie nicht verstehen. Aber dennoch beziehen sie sich dann explizit auf die Mode, so hat es die Soziologin Elena Esposito ausgedrückt. Oder nehmen wir Karl Lagerfelds Worte: „Der Mode entkommt man nicht.“

Viele wolle etwas von ihrem Glamour abhaben – für all die ist der Schauenreigen der Fashion Weeks entweder ein Grund zur Diskussion oder sie liefern künstlerische Inspiration oder sie ist einfach einfach nur ein Traum. Mode ist ein Kulturgut; sie gilt nicht nur als Seismograph unserer Zeit, manchen sogar als Barometer. Wer Mode lesen kann, weiß, was die Zukunft bringt, schrieb der große Intellektuelle Walter Benjamin in seinem „Passagenwerk“. Mode ist so nah am Puls der Zeit wie kaum eine andere Kulturdisziplin. Und die Fashion Weeks transportieren das in paar Wochen im Jahr an ein paar Hot Spots der Welt.

Wie wichtig sind Fashion Weeks für angehende Modedesigner:innen oder Stylist:innen?

Sabine Resch: Alle, die auf Fashion Weeks ihre Kollektionen zeigen, werden gesehen. Das klingt so lapidar, aber diese Sichtbarkeit führt im besten Fall dazu, erfolgreich die Kollektion in den Markt und damit an die Kund:innen zu bringen, in die Medien und damit in die Öffentlichkeit. 

Gibt es einen Unterschied in der Relevanz national vs international?

Sabine Resch: Als Mutterland der Mode gilt zwar Paris, denn dort wurde die Haute Couture erfunden. Im Ranking nach den Pariser Defilés, wie Modenwochen früher hießen, wechseln sich Mailand, London und New York regelmäßig ab, je nachdem, welche wichtigen und noch wichtigeren Labels gerade zeigen und welche Show die beste war und um wen gerade der größte Hype entsteht.

Die Berliner Fashion Week wie wir sie seit 2007 kennen ist noch nicht in einem Atemzug mit den sogenannten Big Four zu nennen, die Relevanz der Labels die zeigen, Newcomer oder Big Brands sind ja ein Kriterium für Relevanz.

Aber auch die Big Four haben einmal angefangen, Mailand zum Beispiel in den 1970er Jahren. Damals war auch Mailand noch nicht das Mailand, was es heute ist. Und mittlerweile gibt es ja auch gar nicht nur die Big Four, hinzugekommen sind längst Kopenhagen, Stockholm, Los Angeles oder eben Berlin.

Und ein Fun Fact ist vielleicht ganz erstaunlich: Die älteste Modemesse der Welt nämlich gab es Mitte des 19. Jahrhunderts in – BERLIN mit der Berliner Durchreise. Auch später, in den 1920er Jahren, stand Berlin Paris in nichts nach. Die besten Schneidermeister, ansässig am Hausvogteiplatz, statten die Stars Europas aus. Dieses erste Berliner Modezeitalter nahm ein jähes Ende, als die Nazi-Zeit über Deutschland hereinbrach. Denn die Schneider war zumeist jüdisch.

Die Idee allerdings, dieses eine, noch nicht ganz erwachsene Pflänzchen namens Berlin Fashion Week zu splitten und in Frankfurt ein Gegenprogramm zu veranstalten, halte ich gelinde gesagt nicht für die allerbeste Idee. Es gab und gibt in Deutschland bereits mehrere Modemessen und -zentren – IGEDO und CPD in Düsseldorf, Münchner Modemesse, Kölner Messe etcpp. Die Geschichte hat gezeigt, Deutschland funktioniert als Modestandort zentral, ähnlich wie Frankreich. Dort käme auch keiner auf die Idee, neben Paris auch noch eine Modemesse in Marseille zu eröffnen… Anders als Italien, wo es dezentralisiert seit Jahrzehnten funktioniert mit der Städte-Trilogie Mailand (Frauenmode), Rom (Alta Moda) und Florenz (Männermode).

Prof. Sabine Resch
Prof. Sabine Resch | ©Aiblinger

Sind die Big Four Fashion Weeks zu elitär? Und ist das überhaupt schlimm, dürfen/müssen sie nicht sogar elitär sein?

Sabine Resch: Der Mode, bzw. der Luxusmode, wird ja generell vorgeworfen, auf einem hohen Ross zu sitzen, und niemandem Zugang zum Elfenbeinturm der Mode zu gewähren. Dabei wird gerne vergessen, dass die Modenschauen aus einem bestimmten Grund nur einem kleinen Kreis vorbehalten waren, und zwar ursprünglich nur Kunden und Einkäufern. Der Grund war und ist, dass die Gefahr kopiert zu werden zu groß ist. Das ist bei Automobilmessen ja auch so: die Modelle, die es auf dem Markt gibt, können sich an einem Tag alle Endverbraucher sehen. Doch wenn die Modelle der Zukunft gezeigt werden, nehmen an bestimmen Vorführungen nur wenige Zuschauer Platz. Das wirkt genauso elitär, hat aber den gleichen Grund wie bei Modenschauen und darüber beschwert sich allerdings kaum einer. Es wissen nicht mal viele.

Eine Eigenschaft der Mode ist ja, sie ist Alltag und das Besondere zugleich. Das ist Fluch und Segen zugleich. Sie wird nur gerne ausschließlich als das Besondere und als Luxusgut verstanden. Und das Besondere, Exklusive ist natürlich etwas Elitäres. Und weil das so ist, ist es so begehrenswert. Das ist nicht nur bei Mode so, sondern auch bei Champagner, Kaviar und allem anderen, was wertvoll und selten ist.

Und dabei vergessen wir, dass Mode auch unseren Alltag begleitet, wir wollen zeitgenössisch, also modisch gekleidet sein, nicht besonders auffallen, aber ein wenig schon. Hier ist das Elitäre natürlich nicht so gefragt. Aber auch wenn wir uns für die Alltagsmode inspirieren lassen wollen, lenken wir unseren Blick zu den Fashion Weeks, zu den Trendsettern, in die Modemagazine, in die Social Media-Welt …

Werden Fashion Weeks demnächst im Metaverse stattfinden?

Sabine Resch: Vollständig sicher nicht. Auch wenn Modenschauen längst virtuell stattfinden oder die Mode selbst auch digital produziert wird, und zwar nur für das digitale Ich, speziell für digitale Räume. Das heißt aber nicht, dass wir in der realen Welt künftig nackt sind, um uns nur noch fürs Metaverse digital einzukleiden. Genauso wenig wird es Fashion Weeks ausschließlich digital geben, sondern auch.

Mode lebt vom Erlebnis, von Begegnungen, vom Haptischen, von Bewegung und vom Spiel mit dem Körper. Als in der Pandemie, im ersten Lockdown, die Modelabels gezwungen waren, ihre Präsentationen digital durchzuführen, war dies sicherlich nice to have, denn ohne die digitalen Shows hätte es überhaupt keine Modenschau gegeben. So saßen rund um den Globus die Menschen am Bildschirm beim Fashion-Streaming. Einige Labels haben sich auch tolle virtuelle Präsentationen einfallen lassen und nicht nur die Modelparade einen Laufsteg rauf und runter laufen lassen und das dann gefilmt.

Aber nach unzähligen Streamings alleine Zuhause auf dem Sofa und ein, zwei Saisons später ermüdete das Publikum. Und als nach den Lockdowns Mode endlich wieder live gezeigt werden konnte, feierte die Branche das euphorisch. Wie schon gesagt, Mode lebt vom Erlebnis, daher werden die Live-Modenschauen der Fashion Weeks auch besonders aufwändig (über-) inszeniert – als Counterpart zum reinen digitalen Stream.

Hier sind sich die Branchen Musik und Mode im Übrigen sehr ähnlich. Ein Konzert auf einer Musik-App zu streamen oder auf einer CD hören oder aber live in einem Stadion dem Konzert beizuwohnen – wenn wir die Wahl haben, nehmen wir letzteres. Wenn es nicht anders geht, streamen wir – oder legen (wieder) eine Schallplatte auf. Aber wenn es geht, dann ist das Live-Erlebnis das Besondere. Und das Besondere wollen wir ja offensichtlich alle.

Ich vergleiche das Phänomen gerne mit dem Lagerfeuer, bei dem sich die Menschen begegnen, begeistert sind und die Wärme der Feuers selbst erleben, statt nur am Bildschirm zu sitzen und auf ein mit 15-minütiges Lagerfeuer-Video auf dem kalten Bildschirm zu schauen. Ja, Fashion Weeks sind das Lagerfeuer der Mode!