BMBF-VERBUNDPROJEKT: BÜRGERLICHER AUFSTIEG IM SPIEGEL DER OBJEKTKULTUR DES 18. JAHRHUNDERTS (AKRONYM: PARVENUE).
TEILPROJEKT: BILDWELTEN DER OBJEKTE – MATERIELLE KULTUR IN IHRER BILDLICHEN REPRÄSENTATION (LEITUNG: PROF. DR. PHILIPP ZITZLSPERGER)
Grundsätzlich ist der methodische Ansatz des Teilprojekts „Bildwelten der Objekte“ an der Schnittstelle zwischen Kunst-, Bildwissenschaft und Realienkunde angesiedelt. Im Zentrum steht die bildliche Repräsentation von Parvenüs. Zu untersuchen ist das Verhältnis von Bildwirklichkeit und Lebenswirklichkeit der Schnellaufsteiger hinsichtlich ihrer im Bild ‚sprechenden Objekte‘. Für das Parvenüprojekt bieten der römischen Spätbarock und seine Materielle Kultur einen methodisch besonders günstigen Vergleichshorizont auch für die anderen Teilprojekte. Die Kunstmetropole Rom ist als Leitfossil des Gesamtprojekts „Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur des 18. Jahrhunderts“ anzusprechen. Denn zum einen ist die Überlieferungssituation der Schrift- und Bildquellen in der Ewigen Stadt besonders günstig, so dass prosopografische Daten und Sammlungsgeschichte, Mäzenatentum und Kunstwahrnehmung in ihren kausalen Zusammenhängen tiefenscharf ausgeleuchtet werden können. Zum anderen ist Rom das Zentrum europäischer Parvenükulturen aufgrund des Nepotismus in der einmaligen politischen Verfasstheit als Wahlmonarchie. Der römische Nepotismus geriet aber um 1700 zunehmend in die Kritik, die vermutlich zur negativen Konnotation des ursprünglich positiv besetzten Parvenübegriffs führte.
Das Teilprojekt „Bildwelten der Objekte“ versucht den kunstsoziologischen Ansatz mit der Ideengeschichte der Ästhetik der Aufklärungszeit zu verknüpfen. Denn die Parvenükultur ist als Nährboden für die Geschmacksbildung anzusprechen, die im 18. Jh. die Verfeinerung der Sitten prägte. Um unter gesellschaftlichen Eliten zu reüssieren, war der Parvenü auf eine gesteigerte Form der ästhetischen Selbstdarstellung angewiesen. In diesem gesellschaftlichen Kräftefeld bildeten sich die Einheit und Eigenheit der Freien und Angewandten Kunst aus. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Karrieren der Künstlerinnen der Aufklärungszeit. Sie sind ein dankbarer Untersuchungsgegenstand, weil das soziale Korsett der Frau um 1700 scharfe Konturen aufweist. Die Aktionsgrenzen der Frau waren klar abgesteckt. Ihre Grenzüberschreitung und alles, was der gesellschaftlichen und ästhetischen Norm nicht entsprach, ist vor diesem Hintergrund deutlicher zu erkennen, als bei männlichen Parvenüs deren Statusgrenzen elastischer waren. Kurz: Frauen, die außerhalb des eigenen Haushalts als Akteurinnen auftraten, hatten zuvörderst ein Legitimationsproblem zu überwinden. Ihre Flucht in nonkonforme Selbstbestimmtheit bedingte den gesellschaftlichen Konsens im Patriarchat, die Bereitschaft der Männer, den Aufstieg der Frau zu tolerieren oder gar zu fördern.
Vgl. hierzu auch den Artikel von Stefan Trinks über das Teilprojekt in der FAZ vom 26.4.2021