Mit gepackten Koffern und dem Flugticket in der Hand stand Melina Borgstedt (Mode- und Designmanagement B.A.) im September 2018 am Düsseldorfer Flughafen und wartete auf ihren Flug nach London. Dort verbrachte sie ein Auslandssemester als Freemover an der University of Westminster (UOW). Wie es für sie war, ganz alleine und ohne Austauschprogramm diesen Schritt zu wagen, und was sie in der Metropole erlebt hat, erzählt sie uns im Interview.
Wieso hast du dich für die University of Westminster entschieden?
Bevor ich mich damals für die University of Westminster entschieden hatte, informierte ich mich in sämtlichen Foren sowie in weltweit anerkannten Rankings intensiv über Universitäten, die den Schwerpunkt Mode anbieten. Da für mich bereits klar war, dass ich auf jeden Fall nach London gehen wollte, stieß ich bei meiner Recherche zunächst auf das London College of Fashion (LCF). Mit großem Interesse brachte ich an der AMD also den Stein ins Rollen, eine internationale Partnerschaft für den Studiengang Mode- und Designmanagement B.A. auf die Beine zu stellen, was letztlich jedoch scheiterte. Doch aufgeben wollte ich deswegen natürlich nicht!
Da das LCF ein sogenanntes Trisemester anbietet, welches leider nicht alle Credits der AMD abdeckt, stand für mich schließlich der Entschluss fest, mich alternativ als Freemover, also ganz ohne ein Austauschprogramm, an der University of Westiminster zu bewerben. Laut Business of Fashion zählt diese mit einigen prominenten Alumni der internationalen Modebranche wie Vivienne Westwood und Christopher Bailey zu einer der zehn besten Modeuniversitäten weltweit.
Wie hast du dich auf das Auslandssemester vorbereitet?
Kurz vor meiner Abreise musste ich mich natürlich um einige organisatorische Dinge kümmern. Zunächst war da die Frage nach einem passenden Auslandskonto. Hierfür bietet es sich beispielsweise an, dieses bei einer Bank anzulegen, welche ihren Kunden ermöglicht in England kostenlos Geld abheben zu können. Im Hinblick auf die Krankenversicherung oder meine Telefonkarte hatte ich glücklicherweise keinerlei Probleme, denn die Konditionen ließen sich problemlos übertragen, da Großbritannien zu dem Zeitpunkt meines Auslandssemesters in der EU war (Stand Q4 2018).
Angekommen in London, beantragte ich dann zuerst eine Oyster 18+ Card für die öffentlichen Verkehrsmittel. Als Student der University of Westminster bekommt man mit der Karte nämlich Vergünstigungen von bis zu 30 Prozent für die Monatskarte, welche eine unlimitierte Anzahl an Fahrten mit dem Bus, der Underground sowie der Overground beinhaltet. Auch die Wohnungssuche verlegte ich ganz bewusst auf die ersten zwei Wochen nach meiner Ankunft in London, denn man hat wesentlich größere Chancen, wenn man es schafft, bei der Besichtigung persönlich dabei sein zu können.
Wie bist du mit der Sprache zurechtgekommen?
Im Vorfeld musste ich einen IELTS Academic Sprachtest absolvieren und mindestens mit Leistungsniveau C1 bestehen, denn das ist für eine Bewerbung an britischen Universitäten Pflicht. Hervorragende Englischkenntnisse sind essentiell, da man alle Module gemeinsam mit den Muttersprachlern belegt, die natürlich auf Englisch unterrichtet werden. Auch in Prüfungsleistungen wird von einem ausländischen Studierenden das gleiche sprachliche Niveau erwartet wie von den restlichen Vollzeitstudenten der UOW.
Was war deine Wohnungssitutation in London?
Die ersten zwei Wochen in London verbrachte ich im Stadtteil Chiswick bei meiner ehemaligen Gastfamilie, bei der ich nach dem Abitur für vier Monate gelebt hatte; der ideale Ort, um mir vor Ort eine WG zu suchen. Bei acht Millionen Einwohnern ist der Wohnraum in London sehr knapp, für ein WG-Zimmer muss man monatlich mit einem Betrag zwischen 700 bis circa 1.400 Pfund rechnen. Einzimmerwohnungen sind in London hingegen kaum zu bezahlen, denn die Monatsmieten beginnen bei etwa 1.400 Pfund. Ich persönlich habe nach einer Woche ein Zimmer in einer WG im Stadtteil West-Hampstead gefunden. Dort wohnte ich mit zwei weiteren Personen und einem kleinen Hund. Das Zimmer war für Londoner Verhältnisse mit rund 18-20 Quadratmetern überdurchschnittlich groß, möbliert und bezahlbar.
Hast du noch weitere Wohnungstipps?
Die University of Westminster bietet ausländischen Studierenden auch ein Zimmer in einem der Studentenwohnheime an. Dies kann ich allerdings nicht empfehlen, da einige meiner Freundinnen dort unterkamen und ein sehr kleines Zimmer (circa 10 Quadratmeter) in einem eher altmodischen Hochhaus mit durchschnittlich 1.300 Pfund sehr teuer bezahlten. Der Vorteil hierbei ist zweifellos die Nähe zum Campus und der geringe Aufwand bei der Wohnungssuche, jedoch sollte man es sich im Hinblick auf das Preisleistungsverhältnis gut überlegen, sich nicht vielleicht doch lieber selbst auf die Suche zu machen. Unabhängig von der Wohnlage sollte man sehr achtsam bei der Wohnungssuche sein; es empfiehlt sich auf jeden Fall immer einen Vertrag aufsetzen zu lassen, auch wenn das in London oft nicht üblich ist.
Wie würdest du das Unileben an der University of Westminster beschreiben?
Die UOW ist eine große Universität mit insgesamt vier Campus, von denen drei im Herzen Londons angesiedelt sind. Jeder Campus verfügt über eine moderne Bibliothek. Ein Must-See für alle Studierenden mit Schwerpunkt Mode ist das Menswear Archiv der Universität. Dort kann man stundenlang durch wertvolle Klassiker, beispielsweise von Alexander McQueen, Paul Smith oder Vivienne Westwood, stöbern und sich Inspirationen für neue Designs besorgen.
Ein besonderes Highlight ist außerdem die Präsentation der Design Studenten auf der London Fashion Week, bei der die Nachwuchstalente der UOW ihre Werke als einzige Universität neben der Central Saint Martins vor einem internationalen Publikum zeigen dürfen. Zusätzlich dazu werden von der Universität regelmäßig verschiedene Gastvorlesungen von namhaften Großunternehmen angeboten, um den Studenten zu ermöglichen, erste Kontakte in die Wirtschaftsbranche zu knüpfen.
Welche Kurse hast du belegt?
Während meines Auslandssemesters belegte ich die Module London Fashion, Luxury Business Management sowie International Projekt Management.
Empfandest du die Kurse als anspruchsvoll?
Mein Stundenplan war so gestaltet, dass ich zwei Tage in der Woche zur freien Verfügung hatte, und an den restlichen Wochentagen jeweils eine dreistündige Vorlesung, ein Seminar und einen Workshop besuchte. Das bedeutete aber keineswegs, dass man sich zurücklehnen konnte, denn der Arbeitsaufwand und die Anforderungen an der UOW waren immens hoch. So musste ich in der Mitte des Semesters zunächst die Midterms absolvieren, gegen Ende des Semesters musste ich dann für jeden der Kurse eine Hausarbeit abgeben, die weit über die herkömmliche Pro-Contra-Debatte hinausging und überdurchschnittliche analytische Fertigkeit verlangte.
Durch die Art der Module hatte ich über das ganze Semester verteilt ein sehr hohes Arbeitspensum und musste zusätzlich auch die verschiedenen Gruppentreffen für zwei meiner Midterms koordinieren. Gegen Ende wurde der Druck dann noch einmal erhöht, denn für die drei Hausarbeiten mit jeweils 3000 Wörtern hatte ich überraschenderweise insgesamt nur drei Wochen Zeit, da dies von den Dozenten so gewünscht wurde und das entsprechende Thema folglich nicht vorher vergeben werden konnte. Diese Erfahrung war für mich eine ganz neue; in Deutschland wird man ja oft schon zwei Monate vor der Abgabe eindringlich ermahnt, nun endlich mit der Hausarbeit zu beginnen.
Wie unterscheidet sich die Universität sonst noch von deutschen Hochschulen?
An deutschen Universitäten ist man eine separate Prüfungsphase gewohnt, an der UOW gab es das nicht. Das bedeutet, dass man während der sowieso schon sehr knapp bemessenen Zeit, die einem für die Abgaben zur Verfügung steht, auch Vorlesungen besuchen muss. Mit einem vollen Stundenplan und der Anwesenheitspflicht, die mittels Chipkarte genau überprüft wird, war die Zeit in London also sehr arbeitsintensiv, denn das Auslandssemester dauerte insgesamt gerade mal zwölf Wochen.
Wie war der Umgang unter den Studierenden?
Um an der Universität Freunde zu finden, eignen sich insbesondere universitäre Veranstaltungen und die wöchentlich stattfindenden Seminare, in denen man häufig in kleineren Gruppen an verschiedenen Case Studies arbeitet. Ein entscheidendes Event war für mich eine von der Uni veranstaltete Bootstour auf der Themse, die in der Orientierungswoche für alle ausländischen Studierenden angeboten wurde und dazu diente, neue Leute kennenzulernen.
Einmal im neuen Unileben angekommen, sollte man auch darüber nachdenken, sich für einen Club der Student Union zu entscheiden. Die Inhalte reichen von verschiedenen Sportarten über wirtschaftswissenschaftliche Gruppen bis hin zu politischen und sozialen Clubs. Ich persönlich war während des Semesters Mitglied bei der Westminster Marketing Society.
Erzähl uns doch mal von der Stadt.
London ist eine sehr dynamische Stadt, die für jeden etwas zu bieten hat. Wer sich nach einem anstrengenden Tag in der Universität etwas zurücklehnen möchte, kann das in einer der zahlreichen grünen Parkanlagen tun. Aber auch für die Nachtschwärmer gibt es unbegrenzte Möglichkeiten, in eine außergewöhnliche Bar zu gehen oder in einen der vielen Clubs, um neben toller Musik auch eine großartige Show geboten zu bekommen, wie es sie so in Deutschland nicht gibt.
Das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist in London so gut ausgebaut, wie in kaum einer anderen Metropole: Busse, Bahnen und Taxis kommen im Minutentakt und ermöglichen einen reibungslosen Weg zur Uni, in die Stadt oder zu den Sehenswürdigkeiten der Weltstadt.
Wem das typische Sightseeing-Programm nach einigen Wochen zu eintönig wird, der sollte ab und an bei der Facebook-Event-Funktion reinschauen, denn dort bekommt man die Möglichkeit, bei spannenden Vorträgen dabei zu sein oder zum Saisonende bei verschiedenen Sample Sales von bekannten britischen Designern, tolle Kleider für den halben Preis zu ergattern. Apropos Shopping: In der Oxford Street und der nahegelegenen Regent’s Street kommen Modeliebhaber auf ihre Kosten, aber auch ein Abstecher in die Carnaby Street oder ins Westfield Shopping Centre sind empfehlenswert.
Hast du weitere Insider-Tipps?
Generell empfiehlt es sich, Dienstagmorgen zwischen 7 und 8:30 Uhr die Zeitschrift TimeOut zu besorgen, die kostenlos an beinahe jeder U-Bahn Haltestelle ausgeteilt wird und die Passanten über das Geschehen der kommenden Woche informiert. Ein absolutes Must-see in London sind übrigens zahlreiche Theaterstücke, Musicals und Konzerte, die man, im Vergleich zu Deutschland, zum Schnäppchenpreis besuchen kann. Wenn man ein paar Tage vor der Veranstaltung rund um den Leicester Square die Verkaufsstellen ansteuert, bekommt man mit ein bisschen Glück Eintrittskarten mit ausgezeichneter Sicht für knappe 35 Pfund. So etwas wäre in Hamburg definitiv nicht denkbar.
Was waren deine persönlichen Highlights während deines Aufenthalts?
Drei kulturelle Highlights waren Halloween, Black Friday und die gesamte Christmas Season. Ende Oktober finden in London viele Halloweenpartys statt. Daher ist es auch nicht gerade ungewöhnlich mitten in der Woche in der U-Bahn auf Edward mit den Scherenhänden oder den verrückten Hutmacher zu treffen, denn hier gilt das Motto: Je ausgefallener und verrückter desto besser. Ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen auch die Kinder meiner Gastfamilie bei einer traditionellen “Trick or Treat”-Tour im Westen Londons zu begleiten und mit Freunden eine der zahlreichen Halloween Partys zu besuchen. Dieses Ereignis einmal mitzuerleben, hat wirklich Spaß gemacht.
Das Shopping-Event des Jahres stand dann im November mit dem berühmten Black Friday vor der Tür. Überdurchschnittlich hohe Rabatte ließen die Herzen von Mode- und Technikliebhabern höherschlagen und füllten die Läden der Oxford Street so sehr, dass es kaum möglich war, sich auf dem Bürgersteig fortzubewegen. Trotz großer Menschenmassen lohnen sich die großartigen Rabattaktionen, insbesondere für Studierende.
Im Anschluss an den Black Friday begann dann Mitte November bereits die Christmas Season in London; und wie jedes Jahr wurden auch dieses Mal die Christmas Lights auf der Oxford Street und der Regent’s Street in einer sehr aufwendigen Zeremonie vor einem großen Publikum eingeschaltet. Dieses Event war kostenlos und es gab mehrere Live Acts wie Calum Scott sowie ein großartiges Feuerwerk, das man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte!
Was nimmst du mit?
Mitte Dezember ging es für mich nach einem relativ kurzen, aber sehr eindrucksvollen Semester wieder zurück in die Heimat. In Erinnerung bleibt mir eine sehr tolle und lehrreiche Zeit, in der ich mich persönlich und akademisch immens weiterentwickeln konnte. In der Stadt habe ich mich damals sehr schnell einleben können, da ich London mittlerweile wie meine Westentasche kenne und mich dort sehr wohlfühle.
Neue Freundschaften und spannende Erfahrungen haben außerdem dazu beigetragen, das Auslandssemester zu einem der schönsten Abschnitte meines Studiums zu machen. Persönlich muss ich allerdings auch sagen, dass trotz relativ kleiner Vorlesungs- und Seminargruppen von circa 40 Studenten, mir in einer Universität dieser Größenordnung ab und an doch die familiäre Atmosphäre und der persönliche Bezug, den ich von dem kleinen AMD-Standort in Berlin kenne, gefehlt hat.
Was würdest du interessierten Studierenden raten?
Man sollte sich nicht leichtsinnig ins Abenteuer stürzen und sich dessen bewusst sein, dass London zu den teuersten Städten der Welt zählt. Es ist daher empfehlenswert, sich zunächst einen Finanzplan zu erstellen und sich ebenfalls über mögliche Stipendien zu informieren, denn ohne eine ERASMUS-Partnerschaft belaufen sich alleine die Kosten für die UOW auf rund 4.300€ (Stand Q3 2018).
Nichtsdestotrotz kann ich jedem, der sich für ein Auslandssemester in London interessiert, empfehlen, diese einzigartige Chance zu ergreifen und auch den Mut zu haben, sich im Zweifel ein Auslandssemester selbst zu organisieren.